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Das Glockenspiel
Es gibt etwas wie Echtheitszertifikate, die heute oft in Gestalt eines fälschungssicheren Hologramms auf Geldscheinen und Software-Verpackungen aufgebracht sind. So richtig fälschungssicher sind sie mittlerweile auch nicht, aber sie erschweren das Nachmachen bis zu einem bestimmten Maße.
Bei Städten heißen diese Echtheitszertifikate Wahrzeichen. Die Stadt Wien verfügt über zwei signifikante Wahrzeichen, das Riesenrad und den Stephansdom. Über den Stephansdom, der mittlerweile über 850 Jahre alt ist, gibt es soviel zu berichten, dass man einen ganzen Abend lang andächtig den unterschiedlichen Geschichten und Merkwürdigkeiten lauschen kann, die mit seiner Entstehung und seiner Geschichte zu tun haben.
Wenigen ist die Parallelität zwischen dem Wiener Stephansdom und der Tokyoter U-Bahn bekannt.
Der Stephansdom fasste zur Zeit seiner Errichtung viertausend Menschen. Er befand sich außerhalb Wiens Stadtmauern. Die Bevölkerung von Wien betrug damals achttausend Seelen. Man könnte behaupten, dass der spätere Dom überdimensioniert war, wenn man vergisst, dass das Kirchengebäude auch Zuflucht bei verschiedenen Katastrophen bot. Die Tokyoter U-Bahn ist das einzige Bauwerk, dass bei seiner Entstehung so ausgelegt war, dass die Hälfte der Tokyoter Bevölkerung sich im Fall eines Atomangriffes in die unterirdischen Gänge flüchten konnte. Damals lagen Hiroshima und Nagasaki noch nicht einmal zwanzig Jahre zurück.
Für die hier beschriebene Begebenheit ist auch die Unterwelt Wiens von Bewandtnis. Nein nicht die Kriminellen, obwohl die auch mitspielen könnten, sondern die Fülle von unterirdischen Kellern und Gängen, die teilweise durch Ausgrabungen entdeckt wurden, teilweise durch die Erbauung der Wiener U-Bahn zusätzlich erschlossen wurden.
So gab es vor ungefähr dreißig Jahren eine interessante Möglichkeit für die Gläubigen, sich ein ganz besonderes Erlebnis im Stephansdom zu verschaffen, welches mit den Glocken von St. Stephan zu tun hat.
Wenn man an St. Stephans Glocken denkt, fällt einem die denkwürdige Pummerin ein, doch die wird nur zu besonderen Festtagen geläutet. Schon das normale Glockenwerk von St. Stephan zeichnet sich durch eine besondere Klangfarbe aus, wie auch die Orgel so berühmt ist, dass sie zu außerklerikalen Konzerten verwendet wird.
Jeden Sonntag vor dem Hochamt um zehn Uhr gab es eine kleine Auswahl von Personen, welche beim Läuten der Glocken anwesend sein durften.
Um sieben Uhr in der Früh sammelten sich die Interessenten bei einem Stiegenabgang auf der Freyung, die ungefähr einen halben Kilometer vom Dom entfernt liegt.
Sie gelangten über einen unterirdischen Gang in eine Umkleidehalle, wo sie ihre Mäntel in Spinden ablegen konnten. Gleichzeitig wechselten einige das Gewand, denn es ging nicht um eine einfache Anwesenheit, sondern die Betroffenen mussten Dienste leisten.
In der Regel waren pro Sonntag ungefähr ein Vierteltausend Personen anwesend, von denen einige immer wieder kamen, weil sie hofften in die engere Auswahl des Glockengeläutes oder – wie vermutet – des Glockenspiels zu kommen. Die Geschehnisse des betroffenen Tages werden anhand der Aufzeichnungen von Harry beschrieben, der damals den Eindruck hatte, Zeuge eines Wunders geworden zu sein. Deswegen hielt er seine Eindrücke in Tagebuchform fest, wobei aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit auch einige private Vermerke mit enthalten sind. Harry war kein regelmäßiger Besucher. Er hatte zufällig von der Möglichkeit gehört und interessierte sich aus musikalischen Gründen dafür. Hier sein Originaltext.
„Natürlich hatte ich wieder verschlafen. Und das, obwohl ich rechtzeitig dort sein wollte, um die Chancen zu vergrößern, zum inneren Kreis zu gehören, doch als ich dann meine Zählkarte bekam, trug sie die Zahl 152. Ich wollte schon wieder gehen, denn es erschien mir chancenlos, mich mit einer so hohen Zahl vernünftig platzieren zu können. Das Putzen von Gerätschaften mit Sidol gehörte nicht zu dem, was ich gerne tun wollte. Trotzdem drängte ich mich in den Umkleideraum. Als ich meinen Mantel verstaut hatte, war gerade der erste Einlass in die Selektionskammer. Die Leute, die schon früher gekommen waren, versperrten gnadenlos den Weg und bildeten eine Schutzmauer gegenüber den erst später Angekommenen. Am Ende der Auswahlkammer ging eine Zutrittstür auf und es erschien ein Mitglied des Domkapitels in der Tür. Obwohl er von Statur klein wirkte, hatte er soviel Autorität, dass sich niemand an ihm vorbeidrängen wollte. Er zeigte auf einige Personen in der Menge, die sich zu ihm durchwurstelten. Ich war bass erstaunt, als ich erkannte, wer da als erste Person im Gang hinter der Tür verschwand. Es war meine Schwester. Jetzt versuchte ich alle Register zu ziehen, um nach vorne zu kommen. Irgendwie schaffte ich es, indem ich unter den Schultern zweier benachbarter Barrikaden hindurchtauchte. Ich stand vor dem violett gekleideten Bruder. Er blickte mich etwas schmunzelnd an und bedeutete mir, mich auf den Weg durch den Gang zu machen. Hinter mir verschloss er die Tür. Die Auswahl war getroffen.
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Ich hatte gehört, dass man eine ganze Reihe von Stufen empor klettern müsste, doch als so viele erschienen sie mir gar nicht. Wir durften uns noch einmal umziehen und bekamen einen einfärbigen braunen Mantel zum überziehen. Der war nicht fehl am Platz, denn es war saukalt. Noch einmal kletterten wir einige Stufen hoch, dann waren wir im Allerheiligsten angelangt. Es war der Raum, in dem die Glocken bespielt wurden.
Meine Schwester, mit der ich damals zerstritten war, würdigte mich keines Wortes. Ihre Blicke verrieten, dass sie mich lieber woanders gesehen hätte. Ein bisschen Erstaunen war auch zu lesen, was ich denn hier überhaupt täte.
Bruder Clemens begann uns zu unterweisen. Diese Unterweisung sollte über eine Stunde dauern. Er erzählte uns, dass beim Glockengeläute ein bestimmter Trick angewendet wurde. Das Läuten wurde nicht mechanisch wie in einem Programm durchgeführt. Anstelle dessen wurde das Läuten gespielt. In dem Raum gab es eine Klaviatur, welche kürzer als bei einem Klavier war und von der Gestaltung her eher einem Cembalo entsprach. Die sogenannten ‚weißen’ Tasten waren von dunklerem Holz, die Obertasten von hellerem Holz. Außerdem gab es noch ein paar Knöpfe an der Seite, die so ähnlich wie Registerbetätigungen von Orgeln aussahen.
Bruder Clemens erklärte, dass einige der Tasten mit Verbindung zu den Glocken ausgestatten wären, sofern die richtigen Registerknöpfe betätigt wären. Waren die Glocken nicht angeschaltet, so würde man einfach ein Tasteninstrument vor sich haben, mit dem man sich die Tonhöhe und zeitliche Verzögerung der Glocken vor Augen führen könne. Erst zu diesem Zeitpunkt fiel mir auf, dass diese Verzögerung beim Anläuten der Glocken eine wesentliche Erschwernis darstellte, wenn man einen bestimmten musikalischen Eindruck erreichen wollte.
Jetzt beschäftigte sich Bruder Clemens mit meiner Schwester. Er gab ihr einen Text zu lesen, der mit einzelnen Noteninformationen versehen war. Es handelte sich um einen Psalm und der Gesang selbst hatte etwas Gregorianisches an sich. Meine Schwester musste üben, um das singen zu können. Meine eigene Neugier wuchs. Ich fragte, Bruder Clemens, wie die Glocken gestimmt wären. Lächelnd erklärte er mir, dass die Stimmung der Glocken etwas ganz besonders wären. Oft sind Kirchenglocken in Terzen oder Quarten gestimmt. Doch die Glocken von St. Stephan sind in Quinten gestimmt. Es gibt vier Quintenpaare, die darüber hinaus noch eine weitere Besonderheit aufweisen. Sie sind zueinander ziemlich atonal. f-c (klein), Gis – Dis (eingestrichen), H – Fis (dreigestrichen) und Sub-Kontra b und Kontra f, also ganz tief.
Schlägt man alle Töne am Klavier gleichzeitig an, wozu man die Hilfe eines zweiten braucht, so klingt das überhaupt nicht gut zusammen. Die Glocken von St. Stephan klingen aber zauberhaft. Was war das Geheimnis? Jetzt zeigte sich, dass Bruder Clemens mich nicht zufällig ausgewählt hatte. Ich weiß zwar nicht, woher er meine Neugier schon vorher vorausahnen konnte, doch aus der Art, wie er mir jetzt alles erklärte, merkte ich, dass es ihm große Freude machte, darüber zu reden.
Er klärte mich auf, dass es gerade diese Anordnung war, in der die Glocken als Begleitung des Psalm-Gesanges fungierten, die für die notwendigen rhythmischen Verschiebungen der Glockentöne verantwortlich war. Durch den zeitlichen Ablauf der Psalm Melodie wurden die Glocken so angestoßen, dass sich ihre Obertöne ergänzen und sozusagen eine Melodie über der Melodie entstand. Niemand hörte den Gesang, der dem Geläute zugrunde lag, doch genau dieser verursachte das Entstehen einer Stimmung, die man anders nicht zusammengebracht hatte. Von Seiten der Kirche oder der für das Geläute Verantwortlichen hatte man in den Jahrhunderten zuvor festgestellt, dass es kein mechanischer Gesang sein durfte. Am besten funktionierte es, wenn jemand den Psalm zum aller ersten Mal sang. Deswegen hatten sie dieses Geläutzeremonial für interessierte Laien überhaupt organisiert.
Während meine Schwester halblaut vor sich hinübte, schlug er ab und zu die Tasten an. Ich war wahnsinnig gespannt vor Aufregung. Wie gerne hätte ich selber gespielt. Das musste mir anzumerken gewesen sein. Schmunzelnd fragte er mich, ob ich einmal selbst versuchen wolle. Er ging zu meiner Schwester hinüber. Er fuhr mit dem Finger den Psalm ab und zeigte meiner Schwester auf diese Weise, in welchem Tempo sie zu singen hatte. Er ermunterte mich, zu begleiten. Ich tat das und offensichtlich erregte das sein Wohlgefallen. Er fragte mich, ob ich Musik beruflich ausübte und ich bestätigte es ihm. Danach wollte er noch wissen, ob ich einen bestimmten Professor an der Musikakademie kennen würde. Auch das konnte ich bejahen.
Auf einmal konnte ich eine gewisse Erleichterung erkennen, die sein Gesicht mit einem Strahlen überzog. ‚Wisst ihr was, ihr dürft heute allein läuten. Ich vertraue Euch. Ihr müsst wissen, dass ich eine kranke Schwester habe. Sie wird morgen operiert. Ich möchte ihr noch so gerne Trost zusprechen. Jeden Sonntag muss sie speziell warten, bis ich hier fertig bin, doch heute könnte ich rechtzeitig bei ihr sein. Ich vertraue euch. Wartet, ich muss noch einen Zweitschlüssel holen, damit ihr nachher wieder in den Umkleideraum kommen könnt.’
Er verschwand in Richtung Gang, durch den wir gekommen waren, kehrte aber nicht wieder. Die Zeit tropfte dahin. Es war kurz vor zehn. Jetzt sollte das Geläute anfangen.
Noch zwei Minuten warteten wir. Dann bedeutete ich meiner Schwester, sie möge anfangen. Ich spielte die Begleitung und versuchte mich nicht zu verspielen. Als ich mich etwas sicherer fühlte, zog ich das Register, mit dem die echten Glocken mit der Klaviatur verbunden wurden.
Die Glocken von St. Stephan läuteten. Später hörte ich, dass sie angeblich besonders schön geläutet hatten.
Es waren Glocken für Bruder Clemens, der auf dem Weg nach unten einen Schlaganfall erlitten hatte. Da noch einige Personen von der Putzorgie anwesend waren, gab es sofort Rettungsmaßnahmen. Er wurde gut versorgt und war nach einem Jahr wieder hergestellt. In diesem Jahr wurde ich vom Domkapitel gebeten, die Glocken zu übernehmen. Es hatte sich herausgestellt, dass es für Bruder Clemens keinen Ersatz gegeben hätte. Es erscheint wie ein Wunder, dass er gerade an diesem Tag sein Geheimnis preisgegeben hatte. Mir gegenüber hatte er überhaupt nicht geheimnisvoll gewirkt.
Meine Schwester, eine Ärztin, hatte seine Schwester nicht vergessen. Sie übernahm die Betreuung von ihr, was ihr zwar angesichts ihres eigenen Terminkalenders sehr schwer wurde aber angesichts des Vorfalls als absolute Verpflichtung erschien.
Nach einem Jahr kam Bruder Clemens zu mir, zusammen mit einem jüngeren Ordensbruder. „Bruder Leopold wird sich in Zukunft um die Glocken kümmern. Ich selber bin dafür inzwischen zu schwach. Du hast einen guten Dienst erledigt.“ Er segnete mich. Für mich war dieses Interludium eine willkommene Abwechslung gewesen und ich hatte schon geplant, eine Dissertation darüber zu verfassen. ‚Die indirekte Kontrolle von kollaborierenden Obertönen im Bereich von angeschlagenen Musikkörpern’ Doch als ich den Segen bekam, schien meine Intention wie ausgelöscht. ganz plötzlich kam ich mir wie Teil eines Wunders vor. “
Die Teilnahmemöglichkeit an St. Stephans Glockengeläute gibt es nicht mehr. Es ist nicht bekannt, wer heute den Psalm singt. Vielleicht hat man auch eine besonders gelungene Veranstaltung aufgenommen und steuert den zeitlichen Verlauf des Glockengeläutes elektronisch. Harry selbst hat eine akademische Karriere auf der Musikhochschule eingeschlagen und beschäftigt sich heute mit ekmelischer Musik. Bruder Clemens war zehn Jahre nach dem geschilderten Erlebnis friedlich eingeschlafen.
In den unterirdischen Gängen befindet sich heute ein Museum mit kirchengeschichtlichen Artefakten. In hundert Jahren wird sich niemand mehr daran erinnern. Man kann aber davon ausgehen, dass es in den achthundertfünfzig Jahren Stephansdom einige solche Erlebnisse gegeben hat.
Immerhin hat beim Bau der Kirche der Teufel seine Hand im Spiel gehabt, da ist es nur fair, dass auch gute Engel ab und zu eingegriffen und verhindert haben, dass die Besonderheit des schönen Glockenklangs verspielt wurde.
Im Jahr 2007 habe ich es aufgegeben, selbst Auto zu fahren und habe den Entschluss seither nie bereut. (Es soll gesagt werden, dass ich einmal ein fanatischer Autofahrer war und ungefähr 2 Millionen Kilometer abgespult haben muss. Schließlich leben neben Dienstreisen auch viele Verwandte mehr als tausend Kilometer entfernt.)
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Es ist also nicht verwunderlich, dass ich jetzt sehr für die Investition in öffentliche Verkehrsmittel, darunter auch die Eisenbahn, eingenommen bin. Wie die Planung der ÖBB funktioniert, ist nicht immer ganz nach zu vollziehen, aber man kann da die Schuld auch sehr leicht bei den Politikern suchen. (Außerdem bin ich der Sohn eines Eisenbahners, das mag auch prägen:)
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Aufgrund eines fehlerhaft recherchierten Artikels einer Tageszeitung habe ich das Internet befragt, um die „Wahrheit“ zu erfahren. Nicht eine österliche, sondern die banale Wahrheit über die in Österreich verwendeten Lokomotiven.
Mein Wunsch landete in einer Internet-Reise, (So kann man das Surfen ja wohl nennen) die am Schluss zu einer Reiseseite geführt hat, die vielleicht für die LeserInnen, interessant sein dürfte.
Also zuerst einmal habe ich die Triebwagen-Baujahre kontrolliert. (Die waren im Artikel falsch angegeben worden, um die Tendenz der Journalistin zu unterstützen.)
Dabei erinnerte ich mich an den Triebwagen 4010, der vom Transalpin verwendet wurde. http://de.wikipedia.org/wiki/Transalpin_(Zug)
Das war ein geschichtsträchtiger Zug, in dem wir in meiner Kindheit mit Regiefahrkarten (Die Ermäßigung für Angestellte der ÖBB) nicht fahren durften, was ihm einen unheimlich Nimbus in meinen Kinderaugen verlieh.
Ebensowenig durften wir im blauen Blitz (Wien – Venedig) und im „roten Blitz“ (Das scheint eine kreative Wortschöpfung meines Vaters für den Vindobona-Express Wien – Berlin gewesen zu sein), fahren. (Das habe ich kürzlich nachgeholt, auch wenn der Express mittlerweile als Zug und nicht als Triebwagen geführt wird.)
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Es ist erstaunlich, mit welcher Liebe die Informationen in Wikipedia zusammen getragen sind.
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Aus irgendeinem Grund wurde ich an den Orient-Express erinnert.
Darüber gibt es nun jede Menge Information. Der Zug ist nicht nur durch die Romane von Graham Greene und Agatha Christie bekannt. Durch die lange Strecke war er auch ein Gradmesser politischer Entwicklungen.
Ich weiß nicht, mich muss der Teufel geritten haben, denn jetzt suchte ich auch nach der Transsib.
Wie ich schon einmal geschrieben habe, wollte ich immer damit fahren und habe irgendwann den Wunsch aufgegeben, weil ich sowohl in der russischen Eisenbahn als auch in der chinesischen lange Strecken zurückgelegt habe.
Sieht man sich aber den Wikipedia-Beitrag an, kann man von den Distanzen und dem Kreuzen von sieben Zeitzonen nur fasziniert sein.
Doch das Beste kommt erst. Google hat mit der russischen Eisenbahn etwas auf die Beine gestellt, was nur mehr durch die echte Reise übertroffen werden kann:
Eine virtuelle Reise mit der transibirischen Eisenbahn, die so virtuell gar nicht mehr zu sein scheint, wenn man Bild und Ton genießt.
Mein Rat: schauen Sie sich das an. Entweder das sagt Ihnen überhaupt nicht zu oder Sie werden fasziniert sein.
Sie können eine Fahrt in Echtzeit mit Blick aus dem Fenster verfolgen, (so viel Zeit hat wohl keiner) Sie können aber auch einzelne Punkte der Reise ansteuern und sich die Fahrt über die Wolga, entlang des Baikalsees oder das das Einlaufen in Wladiwostok mit eigenen Augen ansehen.
Dazu bekommen Sie das Fahrgeräusch oder auch russische Radio mitgeliefert. Wenn Sie russisch verstehen, können Sie sich auch ein Hörbuch vorlesen. Ich empfehle die „toten Seelen“ von Gogol. Sonst gefallen mir am besten die Zuggeräusche selbst.
Es sind jetzt schon zehn Jahre her, dass ich diese Zeilen geschrieben habe. Beim Aufräumen in einem alten Computer sind sie mir wieder entgegengefallen. Im Allgemeinen haben sich die Erfahrungen der letzten zehn Jahre durchaus in Veränderungen meiner Weltanschauung niedergeschlagen. Aber diese Zeilen könnte ich heute vermutlich noch immer unterschreiben. Besonders erstaunlich war für mich, dass ich die Kategorie „Leben“ speziell erwähnt hatte. Leben spielt vermag heute eine wesentlich stärke Sinngebung zu vermitteln, als ich es damals empfand. Erst vor zwei Jahren habe ich zum „ersten“ Mal recht knapp formuliert, dass der Sinn des Lebens einfach das Leben selbst ist.
Ich schreibe diese Zeilen ohne mir einen bestimmten Adressaten oder Adressantin als Empfänger vorzustellen. Die Begriffe Kelten, Wesen(serkenntnis) und Esoterik sind an sich so stark miteinander verknüpft, dass sie wie ein Anker als gemeinsame Einheit für eine Rückbesinnung oder Standortsbestimmung dienen können.
Technikern wird in der Regel eine Ablehnung von esoterischem Gedankengut zugeschrieben, die nur in einer Ausnahme verletzt werden darf. Ein Techniker darf auch musikalisch sein, denn das sind ja so viele, die sowohl mathematisch als auch musikalisch begabt sind. Was für eine seltsame Besonderheit. Ich habe inzwischen die Bestätigung durch meinen hochintelligenten Chef bekommen, dass auch er schwierige, zum Teil logische Probleme mit dem Unterbewusstsein durch bewusstes Abschalten löst. Das bedeutet, dass sich Logik und Emotionalität sich nicht ausschließen, die Weiterverfolgung dieses Themas führt uns aber auf eine ganz andere Fährte.
Interessanter ist da schon die Verfolgung des religiösen, des philosophischen oder des transzendenten Interesses von Technikern. Ohne speziell danach zu suchen stelle ich bei den Frauen Anhäufungen von emanzipierten, bestens ausgebildeten, ausgesprochenen Agnostikerinnen fest, wo ich kopfschüttelnd nur fragen kann, wie eine Medizinerin eine göttliche Instanz – egal in welcher Ausprägung – leugnen kann, während ich bei gestandenen Programmierern Buddhisten, Taoisten und verschiedene andere Geschmacksrichtungen von esoterischem Interesse finden kann.
Einsteins Widerlegung der Quantentheorie „Gott würfelt nicht“ ist bekannter als der Umstand, dass viele Physiker und Naturwissenschafter sehr wohl die Grenzen des rational Erfassbaren kennen. Wohin richtet sich dann aber das transzendentale Bedürfnis? Ein in der Jugend unkontemplierbarer Muss-Glaube richtet sich bei denkenden Menschen häufig gegen die vermittelten Religionsinhalte. Das geschieht vor allem deswegen, weil Vertreter der Kirche häufig ihre eigene Meinung mit einer Wahrheitsberechtigung ausstatten, die ihnen nicht zusteht. Der Unterschied zwischen Wahrheit, Wissen und Interpretation wird unter den Teppich gekehrt und alles ist gleich, wenn „die Kirche“ und „ihre Vertreter“ es verkündigen.
Ein anderer Ansatz, der bei mündigen Interessenten zu beobachten ist, ist die Auswahl einer religiösen Geschmacksrichtung, die möglichst nahe den eigenen Vorstellungen kommt. Für meinen eigenen Geschmack hatte der Gedanke an Reinkarnation immer etwas besonders Gerechtes an sich. Warst du in einem Leben schlecht, wirst du im nächsten Leben zu einer unachtsam zertretenen Ameise. Umgekehrt ist es sinnvoll, an sich selbst zu arbeiten, damit das nächste Leben vielleicht schon auf einer höheren Stufe beginnen kann. Ein weiterer Zugang kann auf dem Prinzip des Mehrheitswahlrechtes erfolgen. Welche Religion hat die meisten und sympathischsten Anhänger? Jetzt? In der Vergangenheit? Da möchte ich auch dazugehören. Oder man betrachtet die Kombination aus verschiedenen Religionsinhalten: die Anthroposophie nach Rudolf Steiner kann durchaus als gelungene Verbindung von Christentum und Buddhismus dargestellt werden. In den Werken sowohl des weltlich bekannten Christian Morgensterns als auch des katholischen SJ Teilhard de Chardin kann der spirituelle Aufstieg des Menschen verstanden werden. Wenn wir versuchen, den demagogischen Aspekt auszuschließen, müssen wir uns generell an unterschiedlichste Völker und Gruppierungen wenden, die quer durch die Geschichte an bestimmten Riten festhalten und ihren Glauben oft sehr standhaft einzementieren. Mircea Eliades „Geschichte der religiösen Ideen“ kann hier als Grundlage dienen. Für mich war es sehr interessant zu erfahren, dass der jüdische Glaube nicht – wie im Religionsunterricht gelernt – die erste monotheistische Religion war.
An all die Nymphen, Faune, Halbgötter und Vollgötter der griechischen Mythologie zu glauben, ist heute schwer substanziierbar, obwohl Herzmanovsky-Orlando begeistert gewesen wäre. Auch die nordischen Gottheiten finden besseren Platz in der Literatur und verfilmbaren Bestsellern als in einer lebbaren Grundphilosophie.
Heutige Philosophen wie Charles Taylor sprechen lieber von der Authenzität und eine wesentliche Fragestellung der heutigen Philosophen betrifft eine areligiöse Ethik. Wenn der Mensch Gott leugnet, leugnet er sich selbst auch. Das kann durchaus eine vertretenswerte Beschränkung in dem Glauben an die eigene Wichtigkeit sein. Wir kommen dann relativ bald zur Bewunderung der Dinge rund um uns und entdecken die Bedeutung des Prinzips Leben. Und plötzlich fängt rund um uns mehr zu leben an, als wir es von Mensch, Tier und Pflanze gewöhnt sind. Berge, Täler, Meer und Himmel gewinnen an Beseeltheit und beginnen einen Dialog mit den inneren Landschaften der persönlichen Seele. Eine solche Überlegung, die sich durchaus auch im Rahmen der Antroposophie darstellen lässt, findet sich im spirituellen Erbe der Kelten.
Wenn die keltische Betrachtung von Licht und Liebe, die Betrachtung von Freundschaft, im Rahmen unserer heutigen Umgebung mit Fast food, Neonlicht und Lautheit als nicht anwendbar erscheinen, gibt es starke Aussagen eines Erich Fromm in „Haben oder Sein“, wonach gerade die angesprochenen Erkenntnisinhalte eine große Beeinflussung aufweisen, ob man als Mensch entfremdet oder authentisch lebt.
Mit einer ganz kurzen Gedankenschleife kommen wir von der nicht-entfremdeten Tätigkeit zur lustvoll erlebten Arbeit, zum Erfolg und zur Integration in ein sinnvolles Gemeinwesen.
Der irische Philosoph John O’Donohue hat aber für seine Darstellung der keltischen Spiritualität den Titel „Anam Ċara“, welches soviel wie Seelenfreund bedeutet gewählt. Mit dem Seelenfreund finden wir plötzlich eine ganze Schar von Querverbindungen.
23.11.2002 Brunn
Seit heute fällt mir das Schreiben auf dem Computer wieder leichter. Eine durchaus vorhandene postoperative, körperliche Behinderung ist fast nicht mehr bemerkbar. Beruflich werde ich allerdings erst ab Montag wieder den Computer nutzen. Doch denke ich über Weihnachten nach, schließlich wird sich das Besorgen von Weihnachtsgeschenken heute schwieriger gestalten. Bei der Gelegenheit ist mir der Entwurf einer Geschichte entgegen gefallen, die auch heute noch keine ist. Aber es ist viel besser, den Text möglichst bald zu lesen zu können, weil er sich ja viel mehr auf die Zeit vor Weihnachten bezieht:)
Die klassische Weihnachtsgeschichte hält sich am Lukas-Evangelium an. Davon gibt es dann mehrere Variationen, die sich in Form und Ausführlichkeit oder auch in Modernität unterscheiden.
Dann gibt es Geschichten, die zu Weihnachten spielen, deren mir liebste Deutschsprachige von Peter Rossegger geschrieben wurde. Als ich Weihnachtsfreude holen ging ist eine Schilderung mit so vielen Facetten und tiefer Besinnlichkeit, dass sie mir heute noch die Weihnachtszeit verschönt, vor allem dann, wenn ich mit unserem Hund bei einem Wetter wie gestern spazieren gehe.
Der lange Weg durch Schnee und Eis, welcher der Weihnachtsfreude nichts anhaben kann, ist dabei partout keine schönfärberische oder kitschige Geschichte. Einmal muss der kleine Peter ja sogar befürchten, dass ihm der ganze Weihnachtseinkauf geraubt wirt.
Eine weitere unheimlich prägende Weihnachtsgeschichte hat uns Adalbert Stifter mit seinem Bergkristall geschenkt. Auch hier wird ein möglicherweise süßlich erscheinendes Sujet mit ziemlich viel Realkritik und Spiegel vorhalten verbrämt, ein Umstand, den ich als Kind nicht so erkannt habe. Weil die Geschichte jetzt aber auch sehr publikumswirksam verfilmt worden ist, fallen mir derartige Hintergründe viel stärker auf.
Bekannt sind die Geschichten über das Schenken. Am besten wohl die von O’Henry, bei der zwei Liebende jeweils das verkaufen, wofür der andere gerade seinen größten unerfüllbaren Wunsch sieht. Ich erinnere mich, dass die Frau ihr schönes Haar verkauft hat, für dass der Mann das besonders tolle Bürstenset gekauft hat. Was sie dem Mann geschenkt hat, erinnere ich jetzt nicht, aber ich bin überzeugt, dass es einer von euch weiß. (Auflösung: Uhr und Uhrkette)
Auch als Satiren gibt es wunderbare Weihnachtsgeschichten, wie z.B. Nicht nur zur Weihnachtszeit von Heinrich Böll. Hier muss jeden Tag Weihnachten gefeiert werden, weil die Erinnerung der alten Dame versagt und sie nachhaltig insistiert, dass doch heute Weihnachten wäre.
Es gibt so viele Weihnachtsgeschichten, dass ich dachte, es wäre ein leichtes, eine Geschichte im Internet zu finden, welche im Milieu der elektronischen Datenverarbeitung spielt. Z.B. mit einem Operator, der den Betrieb einer Software rettet, ohne die ein Flugzeug nicht den Zielflughafen erreicht. Oder ein Bereitschaftsdienst, der gerade am 24.12. benötigt wird, um das total ausgefallene System eines Krankenhauses wieder in Gang zu setzen. Ja noch einige andere Sujets würden mir einfallen.
Was wäre den der Hauptpunkt einer derartigen Geschichte, die Weihnachten, Andacht und den Einfluss der modernen Datenverarbeitung sinnstiftend verknüpfen kann.
Ich habe bei meinen Weihnachtseinkäufen ein kleines Büchlein und ein paar größere gefunden. Und bin dabei auf ein Thema fündig geworden, welches mit dem Begriff Besinnlichkeit zusammen hängt. Und mit der Zeit.
Die Ausgangsbasis ist eine negative:
„Der kybernetische Kapitalismus tendiert dahin, die Zeit selbst abzuschaffen, die flüssige Zirkulation bis zu ihrem Maximalpunkt, der Lichtgeschwindigkeit, zu maximieren, wie es bereits bestimmte Finanztransaktionen zu realisieren versucht haben. Die Begriffe ‚Echtzeit‘ und ‚just in time‘ sind ein Beweis für diesen Haß auf die Dauer. Gerade aus dieswem Grund ist die Zeit unser Verbündeter.“ [kleines Büchlein Kybernetik und Revolte (Tiqqun)]
Im letzten Satz findet sich der Schlüssel. Die Zeit ist unser Verbündeter. Weihnachten ist der Zeitpunkt, an dem wir uns von der vorweihnachtlichen Hektik in der Besinnlichkeit des Fests wiederfinden sollten. Die Zeit, die wir uns nehmen, mildert den immer mehr zunehmenden Druck der Beschleunigung unseres Lebens, wie es teilweise fremdbestimmt ist.
Heute habe ich kein diesbezügliche Geschichte für euch. Ich werde sie wohl für das nächste Weihnachtsfest selbst schreiben müssen.
Aber ich kann euch das Beste wünschen, was ihr euch selbst schenken könnt. Zeit und Besinnlichkeit. Möge euch das nächste Jahr so freundlich begegnen, wie mir das heurige erschienen ist.
Durch Spammen eines ehemaligen Blogs ist eine Geschichte wieder aufgetaucht.
Kann irgendein Montag der erste sein? Folgen die Montage nicht seit ewigen Zeiten in wöchentlichen Abständen, einer nach dem anderen, egal ob es Schaltjahre gibt, ob ein Feiertag auf einen Montag fällt, oder der Montag auf die Ferien fällt.
Es war der erste Montag, der zufälligerweise auf den dritten Montag eines wunderschönen Maimonates fiel, der von der Regelmäßigkeit der Montage abwich. Der Mann, der an solchen dritten Montagen regelmäßig an dem Treffen eines Männervereins teilnahm und daher erst spät in den Wiener Vorort nach Hause zurückkam, hatte beschlossen, diesmal früher nach M. zurückzukehren, um einen besonderen Abend mit seiner Partnerin zu verbringen. Sie, die nach eingeführter Gewohnheit am Nachmittag die Hunde für mindestens eine Stunde spazieren führte und zu diesem Zweck eigens eine Hundegruppe gegründet hatte, damit die jungen Hunde miteinander auf der Wiese spielen könnte, war überrascht am Telefon die Ankündigung zu hören, dass er frühzeitig nach Hause kommen würde.
Sie fragte ihn, ob sie ihn von der Bahn mit dem Wagen abholen sollte, aber er lehnte ab und bedingte sich nur aus, dass sie mit ihm noch einen Spaziergang einplanen sollte und tunlichst nicht ohne ihn etwas essen sollte.
Von der Bahn nahm er daher den Autobus und als er bei der Bushaltestelle in M. ausstieg, ging er nicht sofort nach Hause sondern direkt in Richtung Wiese, wo er eine Gruppe von Leuten stehen sah. Ein paar dunkle Flecken hüpften im Gras auf und ab. Ab und zu schossen diese Flecken auch wie kleine Pfeile vom einen Ende des Wiesenflecks an das andere, um anschließend wieder zu der Personengruppe zurückzukehren und an den Menschen hoch zu hüpfen. Das Grass war saftig, nicht zu nass und sauber. Der ausgetretene Lehmpfad war trocken und angenehm zu begehen. Als er den Anfang der Wiese erreicht hatte, schossen zwei Hunde auf ihn zu und die Hündin davon begann ihm die Hand zu lecken. Er bückte sich nieder, um den Hunden näher zu kommen, seine Partnerin kam auf ihn zu und dabei fiel ihr etwas Besonderes auf: er hatte weder Aktentasche noch die Computer-Tragetasche dabei. Er wirkte in seiner Bürokleidung zwar trotzdem etwas deplaziert, wenn man bedachte, dass alle anderen Personen sehr zweckmäßig mit Wanderschuhen und strapazierfähiger Bekleidung angetan waren. Aber zumindest war er beweglich.
Er küsste sie leicht auf den Mund, bedacht darauf, dass sie keine Intimitäten vor anderen Leuten schätzte. Dann näherte er sich der Gruppe und begrüßte die einzelnen Personen. Einer der Hundeführer zündete sich eine Zigarette an, was bedeutete, dass die Gruppe jetzt noch mindestens fünf Minuten an dem gleichen Ort stehen würden. Er entschuldigte seine Partnerin und sich mit einer Verabredung, die es notwendig machte, dass sie gleich in Richtung ihres Wohnhauses aufbrachen.
Nach der Verabschiedung überquerten sie die Wiese um anschließend einen Bach überqueren zu müssen, was einen kleinen Balanzierakt auf den in den Bach platzierten Steinen bedeutete. Wenn es trocken war, war das Überschreiten des Baches kein Problem. Wenn die Steine aber auch an der Oberseite nass und glitschig waren, musste man sehr aufpassen, dass man nicht plötzlich mit einem Bein im Wasser stand. Für die Hunde schien es immer einen großes Vergnügen, von der einen Seite zur anderen zu wechseln. Wenn sie dann auf der anderen Seite standen, schauten sie schelmisch zurück wie um zu sagen: na schaut einmal, wie ihr euch abmühen müsst.
Nach fünf Minuten kamen sie in die Gasse, in der sie wohnten. Sie bewunderte den Garten eines Nachbarn, den sie schon bei der Gartenarbeit gesehen hatte. Für ihn war das nicht so wichtig, obwohl der „Gärtner“ noch einmal eine wesentliche Rolle in seinem Leben spielte sollte. Doch das ist eine andere Geschichte.
„Warum bist du denn heute schon zuhause? Und was ist das für eine Verabredung, von der du sprichst?“ zeigte sie sich verwundert. „Die Verabredung haben wir miteinander.“ Das liebte sie nicht, unerwartete Begegnungen und Vorhaben, die nicht vorgeplant waren, bedeuteten für sie Stress. Sie hatte sich vorgenommen, einen Bericht fertig zu stellen und wäre gar nicht so unglücklich darüber gewesen, wenn erst später nach Hause gekommen wäre. „Es ist heute warm und wir können auf der Terrasse essen. Es ist noch etwas von Samstag über geblieben.“ Sie hatte nur einen Salat eingeplant, fand den Gedanken an die Auflaufreste vom Samstag aber durchaus verlockend. Der Auflauf schmeckte aufgewärmt noch besser als frisch zubereitet und ein bisschen Salat dazu war gerade ideal.
Als sie nachhause kamen, zog er sich eine einfache Hose und einen Pullover an. Er begab sich in die Küche und stellte das Backrohr an. Unterdessen deckte sie den Tisch auf der Terrasse und stellte eine Kerze hinaus. Der Maiabend war wirklich verlockend. Die Temperatur war so hoch, dass man die ganze Nacht hätte draußen verbringen können. Als der Auflauf warm war, inzwischen hatte er eine Flasche Rotwein geöffnet, brachte er die Schüssel hinaus, von den zwei Hunden tänzelnd begleitet. Der Blick der großen braunen Hundeaugen, sehnsüchtig auf die Teller gerichtet, war herzerweichend. „Nein! Platz!“ Die langausgedehnte Zurechtweisung führte dazu, dass sich die Hunde einer nach dem anderen auf die Holzplanken fallen ließen. Die Blicke waren zwar noch immer sehnsüchtig, hatten aber etwas an Resignation gewonnen.
„Also sag schon! Was ist wirklich los?“ drängte sie ihn. „Also erstens siehst Du, dass ich den Computer im Büro gelassen habe. Was sagt dir das?“ Es sagte ihr gar nichts, vom Umstand einmal abgesehen, dass er sich nicht die ganze Nacht mit Programmieren um die Ohren schlagen würde. „Aber wieso bist Du denn nicht bei deinem Verein geblieben?“
„Ich habe heute eine Entscheidung getroffen. Du kannst ihr natürlich widersprechen. Aber ich glaube nicht, dass du das tun wirst. Ich möchte mit dir sobald es deine Pläne zulassen, aber spätestens innerhalb der nächsten drei Monate mit dir zwei Wochen auf Urlaub fahren.“ Sie konnte das nicht glauben. Er war einfach kein Urlaubsmensch. Als Workaholic war er schon normal ungenießbar, wenn er das Gefühl hatte, nicht ausreichend zu arbeiten. Wie oft hatte sie ihm schon vorgeschlagen, wegzufahren, um immer wieder die gleiche Erwiderung zu bekommen, dass es gerade jetzt nicht ginge. Es war immer „gerade jetzt der Zeitpunkt“, an dem es nicht gegangen wäre. Wieso sollte das jetzt anders sein?
Er nahm einen Schluck Wein zu sich, dann ergriff er ihre Hand. „Wir haben in der Firma momentan schwere Zeiten. Leute werden in die Pension geschickt oder gekündigt. In einem Meeting sind wir heute gefragt worden, wie wir mit der Situation umgehen können. Ein Kollege hat gesagt, er musste noch nie jemanden kündigen. Er weiß nicht, wie er sich fühlen wird. Aber bestimmte Missstände berühren ihn heute nicht mehr so wie früher. Als er noch Student war, hat er einmal seine Freundin verloren, weil sie Krebs bekam. Seit damals gibt es nichts mehr, was ihm in der Firma nur annähernd so wichtig oder unangenehm erscheinen könnte.
Da ist mir plötzlich klar geworden, wie viel wertvolle Zeit ich verschenke. Zeit, die ich lieber mit dir verbringen möchte.“ Sie fragte ihn, wie er sich das denn vorstellen würde. So plötzlich würde er seinen Lebensrhythmus wohl nicht ändern können. „Du wirst mir helfen müssen.“ Sagte er. „So einfach wird es nicht gehen. Das ist klar. Gönn’ mir einen zweiten Verabredungstag, zum Beispiel den Montag.“ Er spielte darauf an, dass sie regelmäßig am Freitag etwas unternahmen. Aber am Montag wollte sie nicht ausgehen, der nächste Tag würde ein Arbeitstag sein, man müsste früh schlafen gehen und eigentlich sollte das Wochenende ja Ausspannung genug sein. Er ließ das nicht gelten. „Du verstehst mich nicht. Wir müssen nicht ausgehen. Wir nehmen uns einfach die Zeit füreinander. Wir nehmen uns vor, um sechs Uhr Abend zu essen und dann bis zehn Uhr die Zeit für uns zu verbringen. Danach gehen wir noch einmal mit den Hunden und sind noch vor Mitternacht im Bett.“ Sie schaute ihn ungläubig an. „Das endet doch nur im Sitzen vor dem Fernseher.“ – „Nein, es gibt eine Zusatzregel. Der eine muss den anderen unterhalten. Aus eigenen Stücken. Kein Fernsehen, kein Video. Kein Computerspiel.“ – Kannst Du mir ein Beispiel geben, was Du wirklich meinst?“ Er lächelte sie an: „Also heute fange ich an. Ich werde dir eine Geschichte vorlesen. Das nächste Mal bist du dran. Du kannst zum Beispiel eine Musik auflegen und mir bei jedem Stück erzählen, warum du es gut findest und was es bedeutet. Und vielleicht schaffe ich es, eine Geschichte zu erfinden oder ein Gedicht und wir können es besprechen. Ja, und es gibt noch eine Regel: die Themen Politik und Religion bleiben ausgeklammert.“ Sie fing zu lachen an. Sie hatte verstanden, dass er die Regeln seines Geselligkeitsvereins in ihre Beziehung bringen wollte. „Und Du glaubst, dass das funktioniert?“ „Ich bin sicher, dass es funktioniert. Ich kenne zwar niemanden, der es ausprobiert hat. Aber ich bin hundertprozentig sicher, dass es funktioniert. Es funktioniert unter viel schwierigeren Bedingungen bereits über hundert Jahre.“
Er schaute sie an: „Natürlich könnte man eine Erweiterung der Regeln ins Auge fassen. Der eine darf sich etwas vom anderen wünschen. Ohne Erfüllungszwang, versteht sich. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass Du mir beim nächsten Mal etwas über unser Urlaubsziel verrätst.“
Die nächsten Montage wurden mit großer Spannung erwartet. Ein unerwarteter Umstand stellte sich ein. Die Sonntage wurden manchmal mit Geheimnistuerei begangen, weil der eine dem anderen nicht verraten wollte, was er oder sie am Montag zu erwarten hätte. Obwohl der Montag ein Arbeitstag war, wurde ein halber Urlaubstag daraus. Schon unter dem Tag wurde von einem der beiden mit großer Spannung die Überraschung des Abends erwartet.
Der Umstand, dass die Hunde jedes Mal auf ihren Spaziergang warteten, verlieh den Abenden auch einen formalen Abschluss. Obwohl die Montage ein großer Erfolg waren, mussten sie unterbrochen werden. Eines Montagabends nämlich musste sie gestehen, dass sie keine Vorbereitung hatte treffen können, weil sie durch ihre Arbeit daran gehindert war. Jetzt wäre es zwar ein Leichtes gewesen, eine Vorlesung oder einen Musikabend zu bestreiten, aber sie hatte etwas anderes im Sinn gehabt. Es war nicht Politik und es war auch nicht Religion. Die Hunde mussten allerdings länger auf ihren gewohnten Ausgang warten. Erst lange nach Mitternacht schleppte er sich zur Tür und führte sie allein um den Häuserblock.
Die nächsten Montage verliefen wie gewohnt, aber nach neun Monaten musste der Montagabend entfallen. Am Sonntag früh gab es eine plötzlich notwendig gewordene Fahrt ins Krankenhaus und Sonntag abends erblickte ein kleiner Montag (Hauptfigur von Fahrenheit 451, Ray Bradbury) das Licht der Welt. Montag, der Erstgeborene.
Ich träume von Eisenbahnreisen. Die Transsibirische, die Verbindung zwischen Paris und London durch den Tunnel, die Panoramareisen in der Schweiz. Ich male mir die Reisen aus, schaue auch gelegentlich in den Fahrplänen nach und habe mich auch schon nach den Preisen erkundigt.
Die transsibirische Eisenbahn führt von Moskau nach Peking oder auch umgekehrt. Die chinesische Eisenbahn habe ich schon genossen, Peking Wuhan, achtzehn Stunden. Die russische Eisenbahn habe ich ebenfalls genossen, Leningrad Moskau. Das war romantisch und abenteuerlich. Muss ich mir da wirklich die weiteren zehn Tage dazwischen geben?
Ich war in London in der Waterloo-Station. Dort blieben die Eurostar-Züge vor meinen Blicken verborgen. Innerhalb eines Monats hatte ich am Gare-du-Nord einen Anschluss und sah einen gelben Eurostar. Vor mir, groß, bedeutsam, mit Aura. Und war der vielleicht sagenhaft schmutzig!
Durch die Schweiz bin ich vor einem Monat gefahren. Nicht Panorama. Aber ein bisschen etwas von der Vorfreude ist weg.
Das Ausmalen der Reise, das Planen, das Gustieren ist großartig, denn es bedeutet Träumen, Träumen von der Reise. Und können Träume nicht großartiger sein als alles andere, was wir so erleben.
(c) Steppenhund
(zur Übersetzung ins Französische freigegeben)
Es gibt von mir mehrere Geschichten, die im Zug spielen.
Diese war meine erste.
Eine Zugfahrt
Ich bin unlängst gefragt worden, welches meine Inspirationen (es waren Werke der klassischen Literatur und Musik angesprochen) für mein Liebes/leben wären.
Die Frage ist sowohl einfach als auch sehr schwierig zu beantworten. Einfach wäre es, einfach zu verweigern. Genauso wie es keinen Lieblingskomponisten oder Lieblingsdichter gibt, kann es keine singuläre Inspirationsquelle geben. Dies gilt auch, wenn nicht nur eine sondern mehrere Quellen der Inspiration erlaubt wären.
Der schwierige Teil der Beantwortung dieser Frage besteht aber in der Rekonstruktion derjenigen Gefühlserzeuger, welche sich über die Jahre erhalten haben. Wenn neue Inspirationsquellen dazu kamen, durften sie nicht mit den bestehenden kollidieren.
Das erste Musikstück, an das ich mich erinnern konnte, aber es später nie fand, (bis es youtube gab) war das Scherzo D593 n.1 von Franz Schubert.
Dieses Stück hatte ich im Ohr, offensichtlich hatte es mein Vater häufig gespielt, als ich so drei bis vier Jahre alt sein musste. Irgendwann später hörte ich es bei einem Schülerkonzert, merkte mir aber trotzdem nicht, wie es hieß. Dieses Stück verkörperte für mich Familie, Geborgenheit, etwas an biedermayerlicher Gemütlichkeit und auch Luxus, den wir damals beileibe nicht in materieller Sicht leben konnten. Vielleicht wurde gerade damals mein Bewusstsein geprägt, dass es Luxus ist, sich an der Musik so freuen zu können, wie ich es tat, dass die Freiheit des Geistes der wahre Luxus ist, der später eine große, sicher nicht totale Immunität gegenüber dem Konsumismus bewirkt.
Später hörte ich viel Musik, im Radio waren es Beethoven und Mozart, hauptsächlich Übertragungen von den Salzburger Festspielen, diese inspirierten mich und waren gleichzeitig der Grund, warum ich kein Musiker wurde. Dies verhielt sich so: als ich im Alter von 11 Jahren zum ersten Mal bei einem Schülerabschlusskonzert auf einem Bösendorfer spielen durfte, war ich grenzenlos enttäuscht, dass ich nicht den Klang erzeugen konnte, der mir vorschwebte. Es war der Klang, der sich als Erwartungshaltung durch das Anhören pianistischer Darbietungen ergeben hatte. Ich war also kein Pianist und würde keiner sein können!
Auch heute habe ich eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie etwas auf dem Klavier zu klingen hat. Und ich bin sogar in der Lage, dieser Vorstellung in vielen Fällen Genüge zu leisten. Dass ich keine Musikerlaufbahn eingeschlagen habe, habe ich allerdings nicht bereut. Zu gut habe ich den Musikbetrieb aus einer anderen Perspektive kennengelernt.
Abgesehen von Beethoven, der mich vermutlich wirklich im Gemüt „veredelt“ hat, wie das Beethoven selbst wollte, gab es zwei weitere Musikstücke, die meinen Lebensweg beeinflusst haben. Da gab es die Wiedergabe eines Konzertes mit Shura Tscherkassy, der die Bilder einer Ausstellung in Wien spielte, als ich ungefähr acht Jahre alt war. Seine Interpretation begeisterte mich so, dass ich den Wunsch fasste, das einmal zu üben. Zweiundfünfzig Jahre später mussten sich die Gäste meiner Geburtstagsfeier damit abfinden, dass ich es geübt hatte.
Eine weitere Beeinflussung erlebte ich durch die letzte posthume Schubert-Klaviersonate D960 in B-Dur.
Mein Vater pflegte sie immer wieder einmal zu spielen, wenn er vom Büro nach Hause kam. Diese Sonate berührte mich so sehr, dass sie mich zeit meines Lebens das Klavierspiel festhalten ließ. Während meiner Pubertät, in der viele Dinge wichtiger als das Klavier erschienen, trieb mich der Gedanke in die Klavierstunden, dass ich wohl fleißig üben musste, dass ich dieses Werk einmal selbst würde spielen können.
Es ist wohl etwas Besonderes sagen zu können, dass ein Stück welches man so oft gehört und auch gespielt hat, nie seinen Reiz und seine Verzauberung verloren hat. Da der zweite Satz ähnlich wie die vierte Symphonie von Franz Schmidt eine Musik ist, die einen in das Jenseits begleiten kann, ist die Klaviersonate wohl erst dann ausgeschöpft, wenn die Lebensenergie erschöpft ist.
Das Klangbeispiel von Brendel trifft meine Vorstellung, wie die Sonate in Tempo und Dynamik zu gestalten ist, hundertprozentig. Dies befriedigt mich insofern, als ich die Musik als eine Sprache ansehe und mich freue, wenn ich offensichtlich nicht etwas Falsches sondern etwas auch bei anderen Nachvollziehbares verstehe.
Obwohl es noch weitere Schlüssel in bezug auf das musikalische Erleben gibt – wie z.B. unsere Hausoper „die verkaufte Braut“ oder der Allzeitgenuss „Rosenkavalier“ höre ich jetzt hinsichtlich der Musik auf.
Bei der Literatur wird es noch schwieriger. Es ist mir ein Anliegen, festzustellen, dass ich in Franz Karl Ginzkeys Werken nie (als Kind und auch nicht als Erwachsener) das rassistische Moment erkannt habe. Honni soit qui mal y pense, wäre wohl angebracht. Florians wundersame Reise über die Tapete spannte für mich eine Welt auf, wie sie schöner nicht sein konnte. Hier machte sich vor allem meine Schwester verdient, die sie mir oft vorlas.
Märchen und Sagen hörte ich nie auf zu lesen. Inspirierend waren aber „Readers‘ Digest“-Artikel über großartige Männer. Es waren fast immer Männer und meistens waren es Ärzte. Sie waren die eigentlichen Idole meiner Kindheit und ich hätte mir gut vorstellen können, ein Chirurg zu werden. Später relativierte sich dieser Wunsch. Durch die Bücher, die mir geschenkt wurden, Geschichten über große Erfinder und Entdecker und auch Bücher über Physik, wurde in mir eine Leistungsvorstellung erzeugt, die zwar teilweise wegen meiner Mutter negativ empfunden wurde, (ich wurde viel wegen guter Noten gelobt, was mich nicht besonders glücklich stimmte, vor allem, wenn meine Mutter anderen darüber berichtete.) mit der ich aber heute recht gut leben kann.
Es ist die Ausrichtung an größeren Personen als man selbst. Mein Selbstwertgefühl ist ausreichend, dass die Erkenntnis, nie einen Nobelpreis gewinnen zu können, keine Depressionen verursacht. Gleichzeitig aber sehe ich das Maß der Dinge nicht an meinem Niveau ausgerichtet, sondern es ist irgendwo darüber. Es ist möglich, besser zu werden, an sich zu arbeiten, zu lernen, einen größeren Überblick zu bekommen.
Ich lasse mich zwar gerne gehen, doch genauso gerne vertiefe ich mich in eine Sache, bis ich sie „vertikal“ verstanden habe, vom Überblick bis ins Detail.
Ja und etwas später, im Alter von ungefähr neunzehn Jahren machte der Steppenwolf einen bedeutenden Eindruck auf mich. Die Vorstellung, mit kulturellen Werten wie im Glasperlenspiel spielen zu können, zog mich an, doch wie der Steppenwolf zu vegetieren, wollte ich nie. All die guten Lehren die Hermine und Pablo oder auch Maria dem Steppenwolf angedeihen ließen, fielen auf äußerst fruchtbaren Boden. Bis auf die Geschichte mit dem Rauschgift. Das hat mich nie angezogen, weil ich zu ängstlich war und weil ich außerdem keine Notwendigkeit sah, „mein Bewusstsein zu erweitern“. Mein Bewusstsein hielt ich für ausreichend erweitert, als ich im Alter von neunzehn Jahren einmal eine Bayreuther Tristanübertragung hörte und im Zusammenhang mit vier Flaschen Bier und einer Schachtel Gitanes ohne Filter am Ende des dritten Aktes vollkommen abgehoben war und praktisch das Meer rauschen hören konnte. Damals schwor ich mir, dass ich keine Bewusstseinserweitung brauche. Alles kann ich aus der Musik nehmen.
War da noch irgendwo vom Liebesleben die Rede?
Der Menschen Hörigkeit (WS Maugham), das Ende einer Affäre (Graham Greene), Arrowsmith (Sinclair Lewis), das waren meine Ratgeber in Liebesdingen, dort gab es Frauen, die bewundernswert waren – nicht alle natürlich.
Wenn ich darüber nachdenke, gibt es für diese Aufzählungen kein Ende. So viele Beinflussungen: Goethes „Märchen“, Haufsche Märchen, das Haufsche „Märchen“, sie alle lebten und tun es noch heute.
Der Kreis schließt sich dort, wo eine Begeisterung für den Faust II noch durch die Begeisterung für Bulgakovs „Master i Margarita“ übertroffen wird und ich am Schluss finden kann, dass für Bulgakov das Anhören von Schubert als paradiesische Beigabe für den Master und seine Geliebte empfunden wird.
Ja, es gibt hier kein Aufhören der inspiratorischen Beeinflussung. Sie wird hoffentlich nie aufhören.
Was ich vor 3 Jahren notiert habe… – Naja, mittlerweile sind es wohl mindestens 7 Jahre her.
Ja, ich bin ein Angeber
Ich geniere mich nicht für meine Bücher. Ich lese zur Zeit zum Vergnügen Der Klavierstimmer
von Pascal Mercier, ein Buch, welches mich sehr stark zu einem Kommentar reizt, den ich zu einem späteren Zeitpunkt nachbringen werde.
Ich lese auch immer wieder die Bücher, besser wäre vielleicht der Ausdruck schmökern, die ich jetzt aus der Firma geholt habe.
Ich sollte das wohl gar nicht schreiben, denn Hochmut kommt leicht vor den Fall. Doch ich stehe dazu. Ich gebe nicht mit meinen Büchern an. Ob ich ein Regal mehr oder weniger stehen habe, verändert nicht den Eindruck. Die Wohnung besteht eh nur aus Büchern.
Ich gebe vielmehr damit an, dass ich auch in die Bücher hineinschaue. Ich gebe damit an, dass ich bereit bin, die Erfahrungen anderer anzuerkennen. Ich gebe damit an, dass mich auch Bücher zum Denken anregen, die vor mehr als 30 Jahren geschrieben worden sind.
Ich gebe damit an, dass ich ein gewisses nostalgisches Gefühl entwickle, wenn ich Bücher entdecke, die mir einmal sehr teuer waren und jetzt vielleicht nicht mehr sind.
Ich gebe auch damit an, dass ich mir ein Buch kaufe, wenn ich mir nur zwei Stunden Arbeitsersparnis erhoffe.
Ich gebe nicht nur mit meinen Büchern an sondern auch mit meinen Noten. Ich gebe damit deswegen an, weil diese Noten mir es ermöglichen, frei nach Belieben einer momentanen Stimmung am Klavier Laut zu verleihen. Ich gebe damit an, dass ich überhaupt Noten lesen kann und ein Klavierspiel in der
Regel auch spielen kann, wenn ich die Noten verstehe.
Doch in Anbetracht eines kürzlichen Kommentars gebe ich auch damit an, dass nie ein Aussenstehender überhaupt sehen kann, welche Bücher ich in meinem Schlafzimmer habe. Ich gebe damit an, dass ich mir den Luxus leisten kann, mit den Büchern nicht angeben zu müssen. Mitunter finden sich Menschen, die das eine oder andere Buch auch gelesen haben und sogar die
gleiche Meinung teilen. Das bedeutet dann Freude und Genuss.
Die Bücher, die teilweise über dreißig Jahre alt sind und trotzdem noch immer wieder einmal betrachtet und genossen werden, sind beispielsweise (ein Fach von 24):
—: Fun with Chinese characters. Singapore [u.a.]: Repr. Aufl. Federal Publ, 1994. – 981-01-3004-X
CUBE, Felix von: Was ist Kybernetik?. München: Ungek. Ausg. nach der 3. Aufl., Lizenzausg. Aufl. Dt. Taschenbuchverl, 1971. – 3-423-04079-3
GRIBBIN, John: Auf der Suche nach Schrödingers Katze. München u.a: 4. Aufl. (1. Aufl. dieser Ausg.). Aufl. Piper, 1991. – 3-492-11353-2
HAHN, Hans ; MCGUINNESS, Brian ; MENGER, Karl: Empirismus, Logik, Mathematik. Frankfurt a.M: 1. Aufl. Aufl. Suhrkamp, 1988. – 3-518-28245-X
KNUTH, Donald Ervin: Seminumerical algorithms. Reading, Mass. [u.a.]: 2. ed. Aufl. Addison-Wesley, 1981. – 0-201-03822-6
KOULEN, Michael: Die Mitte des Himmels. Köln: DuMont, 1986. – 377011902-9
MORFILL, Gregor E. ; SCHEINGRABER, Herbert: Chaos ist überall. und es funktioniert. Frankfurt/Main ;Berlin: Ullstein, 1991. – 3-550-06509-4
NONAKA, Ikujiro ; TAKEUCHI, Hiro: The knowledge-creating company. New York [u.a.]: Oxford Univ. Press, 1995. – 0-19-509269-4
RHEINGOLD, Howard: Virtuelle Welten. Reinbek bei Hamburg: 1. Aufl. Aufl. Rowohlt, 1992. – 3-49805731-6
RIEDL, Rupert: Die Strategie der Genesis. München u.a: 3. Aufl., 9. – 14. Tsd. Aufl. Piper, 1984. – 3-492-00590-X
ROJAS, Raúl: Theorie der neuronalen Netze. Berlin [u.a.]: Springer, 1993. – 3-540-56353-9
WIECKMANN, J.: Das chaos computer buch. Reinbek Bei Hamburg: Rowohlt, 1988. – 3-8052-0474-4
WINSTON, Patrick Henry: Artificial intelligence. Reading, Mass. u.a: 1977. – 0-201-08454-6
ZIMMER, J. A.: Abstraction for programmers. New York: McGraw-Hill, 1985. – 0-07-072832-1