Archiv für Mai, 2014
Gestern bekam ich anlässlich einer Vernissage eine sehr wesentliche Anregung.
L’arte resta nel gesto, muore nella materia. Umetnost ostaje u nameri, umire u materiji.
(Die Kunst ruht in der Absicht (oder auch Vorstellung in der serbischen Version), sie stirbt in der Materie. [frei übersetzt HH])
Ich frage mich, wie es sein kann, dass die Kunst ausstirbt. Politiker und Verbrecher kann man erpressen. Aber die Erpressung versagt bei Künstlern. Die verhungern auch glatt einmal. Die Künstler wird man nicht ruhig stellen können, doch die Kunst selbst? Ja, das könnte funktionieren.
Möglicherweise wird es die persönliche Kunst geben, so wie es Künstler gibt, die einfach das produzieren, was sie produzieren müssen. Egal ob jemand zusieht oder zuhört. Doch die „offizielle“ Kunst, die gefördert wird, die als Handels- und Spekulationsobjekt missbraucht wird, die kann man abdrehen.
Ich benötige ein brauchbares Konzept, denn sonst wären die Künstler die effizientesten Revolutionäre der Zukunft.
Das Seminar ist vorbei, das Konzert ist vorbei. Morgen gibt es noch ein ein „interessantes“ Meeting. Mein Paper muss ich noch korrigieren. Es wäre eigentlich schon weg, doch die Deadline wurde um eine Woche verschoben und ich hätte nicht einmal registrieren können, obwohl ich es geschafft hätte.
Es ist dreimal überprüft worden, wobei eine englische Freundin die schärfste Kritikerin war. Immerhin war sie einmal Chefredakteurin des Magazins einer der angesehendsten Unis in Washington D.C.
Jene Korrekturen muss ich noch einarbeiten.
Und dann werde ich im Juni auch einiges zu tun haben, doch der Termindruck wird sich in Grenzen halten.
Alles ist gut gegangen und unsere Wohnung haben wir auch noch vermieten können, bevor ich nach Belgrad abgedampft bin.
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Ich stelle nur fest, dass mir manche Leute ziemlich auf den Hammer gehen und dass ich mich nicht überwinden kann, sie zu begrüßen, obwohl es sich gehörte. So z.B. der österreichische Botschafter in Serbien. „Slicke“ Diplomaten sind mir inzwischen ein Gräuel geworden. Dafür habe ich feststellen können, dass es unheimlich nette und hilfsbereite Menschen gibt. Nicht dass ich selbst Hilfe notwendig hätte, (zur Zeit glücklicherweise nicht) doch ich kann ihre Gesinnung spüren und das tut gut.
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In den letzten Monaten spüre ich eine Veränderung in mir. Ich bin ruhiger geworden – trotz der manchmal scheinbaren Hektik. Ich bekomme ausreichend Anerkennung, von der ich anscheinend doch sehr abhängig bin. Ich gebe das zu. Ferüher wollte ich mir das nicht eingestehen.
Ich genieße freie Minuten. Ich kann auch drei Stunden lang nichts tun. Das iPad verwende ich nur selten beruflich, dafür schaue ich mir jetzt alte Filme damit an.
Und natürlich wird im Juni auch wieder etwas mit 2041 weitergehen.
Die Geburtstage der Kinder werden noch gefeiert werden. Und vielleicht schaffe ich es, noch Tickets für den speziellen Luxuszug von Wien nach Mürzzuschlag am Vatertag zu bekommen. Mal sehen.
Nachwievor bin ich gelassen. Wenn ich abtrete, werde ich sagen können: nichts Wesentliches versäumt, nichts aus Feigheit verweigert, das Leben wurde genossen.
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Was will man mehr?
Das ganze Event hat fast zwei Stunden gedauert.
Hier ist etwas für meine fünf LeserInnen:
Vor dem Beginn
Eine Sonate ist jetzt einmal hochgeladen:
Der Beethoven
Eigentlich besteht bei bestimmten Ereignissen die Gefahr, dass man danach in ein Loch fällt, wenn die Anspannung nachlässt. Da ich aber heute schon um 5 Uhr aufgestanden bin, um noch ein Dokument fertigzustellen, das heute eingereicht werden muss, ist die Gefahr nicht allzugroß. Morgen geht es dann sowieso schon wieder mit „echter Arbeit“ (Seminar) weiter.
Anscheinend hat es sich ausgeregnet. Die Sonne strahlt hier in Belgrad und hilft mir, gute Laune zu haben, obwohl das normalerweise nicht die Zeit ist, zu der ich gerne arbeite.
Bekannterweise habe ich gestern ein paar Sonaten gespielt. Das war ein interessantes Erlebnis. Ursprünglich war ich schon ein bisschen skeptisch gewesen, wie das mit dem Eventmanagement funktionieren würde. Es hat im Prinzip überhaupt nicht funktioniert, denn die notwendigen Stellen waren durch Personen verlinkt, die kein besonderes Interesse daran hatten.
Das endete damit, dass das Personal der Gallerie keine Ahnung hatte, dass ein Konzert stattfinden sollte. Das wurde mir von dem Herrn mitgeteilt, der schon etwas früher als ich dort war und mir später die Seiten umblättern sollte. Aber er beruhigte mich auch gleich und meinte, das wäre dort so üblich, das würden wir schon in den Griff bekommen. Tatsächlich wurde rasch der Flügel in Position geschoben und Sessel aufgebaut. Das scheint dort Routine zu sein.
Trotzdem war ich etwas skeptisch, ob mögliche Zuhörer auch die richtigen Hinweise erhalten würden, wo sie hinmüssten.
Das wir in der Gallerie kein Catering einladen durften, war aufgrund der ausgestellten Bilder und eines möglichen Risikos verständlich. Stattdessen brachte ich Mozartkugeln für eine allfällige Pause mit. Schließlich hieß das Programm „Wiener Klassik“.
Die Probe mit dem Umblättern funktionierte sehr gut. Mein Helfer ist der Leiter der Kulturorganisation spanac, Dirigent, Chorleiter und Musikwissenschaftler. Klavierspielen konnte er auch, also war in dieser Richtung alles abgesichert.
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Zwischen der Probe und dem Konzert gab es noch eine Bildvortrag der Akademie, was mich mit Sorge erfüllte, ob die Zuhörer rechtzeitig verschwinden würden, um mir Platz zu machen. Meine Mitarbeiterin, Nenad und ich setzten uns inzwischen in ein Kaffeehaus. Auf dem Weg dahin kamen wir an einem Straßenkonzert vorbei. Nenad erzählte, dass da viele seiner Sänger vom Chor mitmachen würden. Der Chor klang sehr gut. Im Kaffeehaus stieß noch ein alter Bekannter zu uns, ein Kulturmanager, der mir die Videoaufnahmen gemanagt hatte. Er wusste über die Schwierigkeiten in der Gallerie Bescheid und nannte mir andere Plätze, wo ich künftig Konzerte veranstalten könnte, wenn ich das wollte. Als wir im Kaffee saßen, kamen eine Menge Personen vorbei, die entweder Nenad oder Nikola, den Manager, kannten. Irgendwie erzeugte das eine beruhigende Wirkung. Wir gingen zur Galerie zurück und tatsächlich hörte der Vortrag fünfzehn Minuten vor Konzertbeginn auf. Ich sah auch die ersten Gäste, doch ich verlor ein bisschen den Überblick und kündigte an, dass wir erst um viertel acht beginnen würden. Ich stand ein bisschen auf der Knez Mihajlova herum, um allfällige verirrte Zuhörer aufzusammeln. Als ich wieder hineinkam, war ich erstaunt, dass alle Sessel besetzt waren, ich ersuchte, dass noch eine zusätzliche Reihe aufgestellt werden würde. Das klappte überraschend schnell und gut.
Insgesamt waren jetzt als sechzig Zuhörer versammelt, von denen ich die meisten recht gut kannte. Auch der Außenhandelsdelegierte mit seiner Frau und Tochter war gekommen. Ich hatte ihn eingeladen, weil ich wusste, dass seine Frau und Tochter sehr interessiert sein würden.
Ich wurde vom Direkter des mathematischen Instituts der serbischen Akademie für Wissenschaft und Kunst vorgestellt.
Dann begann ich mit der Geschichte des „Events“. Ursprünglich als eine „lecture“ geplant mit einem musikalischen Bonus, hatte sich die Programmgestaltung komplett umgedreht. Jetzt war es ein Konzert geworden – mit fünf Minuten „lecture“, in denen ich das Testen eines Flügels mit dem Testen von Software verglich. Ich legte das etwas humorig an und hielt mich kürzer, als es Personen von mir kennen.
Dann begann ich die Mozart-Sonate anzusagen.
Die musikalische Leistung möchte ich hier nicht beschreiben. Ich bemerkte aber, dass die Finger genauso nass waren, wie bei meinen ersten Schülerkonzerten. Der Schweiß rann mir über die Stirn. Es war warm, zusätzlich gab es die Spots und die Anstrengung war spürbar. Trotzdem fühlte ich mich zusehends wohler und der Beethoven lief ohne Probleme. Dann gab es eine Pause, in der die Mozartkugeln verteilt wurden. Die Videofilmer waren sehr zufrieden. Das Ambiente war ja mit den Bildern sehr attraktiv. Nach einer kurzen Zeit ging es mit Schubert weiter.
Als Zugabe stellte ich eine kurze und eine lange zur Wahl. Es wurde die lange gewünscht. Die hätte ich sowieso gespielt, weil ich sie mit einer Bemerkung zur Flutkatastrophe einleitete und den Opfern der Überschwemmungen widmete. Ich spielte den langsamen Satz der letzten Schubert-Sonate und winkte ab, als sie nachher applaudieren wollten. Insgesamt gab es dann aber doch noch einen Schlussapplaus und anschließend eine Menge Komplimente. Was für mich mehr zählte, war der Überraschungseffekt, den ich bei einigen erzielt hatte. Sie werden Werbeträger sein, falls ich noch einmal so etwas veranstalte. Im Prinzip mache ich es ja auch als Image-Werbung für meine Firma und hoffe auf den Übertragungseffekt.
Um halb zehn war Schluss, also tatsächlich ein vollständiger Konzertabend. Ich hatte auch alle Wiederholungen ausgespielt.
Ich hatte tagsüber nichts gegessen und auch nach dem Konzert war mein Appetit ziemlich reduziert. Ich war ganz schön müde und erschöpft.
Das emotionale Fazit war allerdings: sehr zufrieden:)
Noch schnell in der Firma doppelseitig ausdrucken und dann geht es mit einem Koffer mit 22 kg Seminarunterlagen nach Hause. Das Seminar ist Arbeit, das Konzert ist Privatvergnügen. Es gibt noch keine Vorstellung, wie viele Leute kommen werden. Zu den einzelnen Texten gibt es Bilder von Linz, Wien, Steyr und dem Steppenhund:)
Austrian Work and Classics
Introduction: Testing the quality of a piano
The musical program:
Wolfgang Amadeus Mozart
Sonata KV333 in B-flat-Major
This sonata with its singing character shows some stylish similarities with the pieces of Johann Christian Bach, a much older friend of Mozart. Its composition is dated 1783, but it is also possible that it was already composed five years earlier. The final movement imitates a piano concerto with “tutti” and “solo” instrument. The sonata is one of Hans’ favorite Mozart-sonatas,although until recently it was not known to him that the sonata is called “Linzer Sonate” after the city were the pianist has been born and the sonata was written.
Ludwig van Beethoven
Sonata opus 2/1 in F-minor
Beethoven has written 32 sonatas, from opus 2 till opus 111. Joachim Kaiser one has remarked that there are not any two sonatas that could resemble each other. They are all different, Beethoven could not endure the idea of repeating his compositions. One could mean that the first sonata would be a simple one as the first three sonatas are dedicated to Joseph Haydn, the most adored composer of that time, whom Mozart, Beethoven and Schubert would call “Papa”. The sonata however does not appear to smoothly fit in in the row of many sonatas written by Haydn and Mozart. Beethoven starts with rebellion, fight and enormous drive. He seems to say “Here I come, listen to what I have to tell you.” While the pianist is currently working on sonatas that have been written at a later time the challenge of this sonata remains unaltered. 50 years ago the sonata was played by the pianist for the first time. It was a big challenge then and it still is one today.
Franz Schubert
Sonata DV 664 in A-Major
If one would ask for the pianists’ favorite composer the answer might be Franz Schubert. But the favorite sonatas would be DV958, DV 959, DV 960, not especially DV 664. However there exists a reason to select exactly this sonata. While Franz Schubert is considered to be a romantic composer this sonata brings us back to the playfulness of a Mozart sonata, thus rather retaining a classical style. Supposedly it has been written in 1819, meaning that Schubert has composed it at the age of 22. He dedicated the Sonata to Josephine von Koller who lived in Steyr and was considered “very pretty” and “talented” by Franz. Incidentally Steyr is the Austrian city where the mother of the pianist was born. The sonata was on one of the first long playing records (33 r.p.m.) the pianist was listening to when he was six years old. Svatoslav Richter performed the “Wanderer fantasy” on side A and Sonata KV 644 on side B. Imagine walking on a very nice sunny day in spring time.
Hans Hartmann
begun to play piano at the age of 5. During his high school years he was educated by Anton Hueber, a composer and scientist who later became a professor at the Vienna Academy of Music. He would have liked to have Hans pursuing a musical career but engineering and electronics were of greater interest. Actually Hans decided against a career as a musician at the age of eleven, because of his great frustration that he could not produce the sound that he was used to when listening to famous pianist. His career as a developer, inventor, sales man, teacher and business man was interrupted in 1988, when for six years he was the export manager for Bösendorfer pianos. Bösendorfer was considered the top instrument known for its special sound that would show in chamber music and especially in accompanying voice. Never stopping to play Hans prefers to do chamber music and plans to play all 32 Beethoven sonatas once he is in retirement.
Place: The Serbian Academy of Science and Arts SANU
Knez Mihailova St 35,
Belgrade, Serbia
Time: 26. May 2014, 6p.m.
Kirchenrecht
Eigentlich ist die Exkommunikation gerechtfertigt.
Wie es im Artikel steht:
Dennoch sei man schockiert. Durch den „Versuch, unerlaubt Eucharistie zu feiern“, falle man unter die „drei schweren Vergehen“, die sofort dem Vatikan gemeldet werden müssten. Dazu gehörten auch die Verletzung des Beichtgeheimnisses und der sexuelle Missbrauch. „Es entsetzt uns ungemein, dass wir uns in der gleichen Kategorie wie priesterliche Missbrauchstäter wiederfinden. Besonders erbittert es uns, dass wir von keinem einzigen Missbrauchstäter wissen, der exkommuniziert worden wäre. Es wird also mit unterschiedlichem Maß gemessen.“
Die Eucharestie könnte man nach „Masse und Macht“ als ein besonderes Gruppenerlebnis auffassen, mit all den Stärken und Schwächen. Da muss die Kirche natürlich dabei sein. Genauso wie im Ehebett.
Und wie es einige kommentiert haben: es gibt andere Spielarten des Christentums, welche die Frauen nicht so ausgrenzen.
Aber wenn man „der wahren Kirche“ angehören will, hat man bereits das Wesen einer Wahrheit bereitwillig aufgenommen und alles verneint, was bis heute forschungsmäßig über die Wahrheit bekannt ist. Dass die Kirche selbst immer wieder Wahrheiten verkündet, die etwas später etwas „unwahrer“ werden, wird mit großer Konsequenz tot geschwiegen.
Jetzt muss man allerdings auch das Positive sehen. Nach der Scharia wären die beiden vermutlich zum Tod mit vorherigen 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. Also insofern kann man die Katholische Kirche durchaus als gnädig bezeichnen. Und das meine ich jetzt nicht ironisch. Sie hat einfach 600 Jahre voraus und ein bisschen gelernt. (Was man von den Hasspredigern des Islam nicht behaupten kann.)
Prinzipiell halte ich es nicht für besonders, wenn der innere Schweinehund nicht überwunden werden kann und der ganze Tag mehr oder weniger unproduktiv verläuft.
Und dann arbeite ich in der Nach in fünf Stunden das Pensum von gut drei Tagen auf.
Ich könnte also wesentlich mehr leisten. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es eher eine Rückkehr zum Arbeitsdurchsatz vor 42 Jahren.
Immerhin habe ich 3 Stunden Klavier geübt. Und das muss ich wohl, weil am Samstag das Konzert ist. In Bezug auf Mozart und Beethoven fühle ich mich halbwegs sicher. Aber den Schubert zum Schluss habe ich noch kein einziges Mal ohne Konzentrationsfehler hin bekommen.
Dabei habe ich den früher schon auswendig gespielt.
Aber jetzt gehe ich schlafen …
In der KI-Forschung oder in der Beschreibung derselben kreist die Argumentation häufig um dasselbe Thema: kann ein „Computer“ Bewusstsein erlangen -oder besser ausgedrückt, kann er sich seiner bewusst werden. (Das er könnte genauso sie oder es geschrieben werden, darauf kommt es nicht an.)
Interessanter erscheint mir die Frage, ob sich ein Computer eines anderen Bewusstseins bewusst werden kann. Mir scheint, dass die Informatiker immer von einer Art Sollipsismus ausgehen.
Das Kleinkind wird als perfekter Egoist geboren. Es muss schauen, wo es bleibt. Die eigentliche Entwicklung des Menschen beginnt dort, wo er die anderen wahrzunehmen beginnt.
Eine Entwicklung in der KI müsste sich dieser Fragestellung widmen. Dazu habe ich aber bis jetzt noch nichts gesehen.
Wei Liu war mit den derzeitigen Entwicklung recht zufrieden. Eigentlich hätte er sehr zufrieden sein können, doch die Neugier, wer seine geheimnisvollen Auftraggeber waren, setzte ihm zu. Er hatte schon einmal um eine Audienz gebeten, diese war aber höflich und bestimmt verweigert worden.
Er holte Chen zu sich und bat ihn, Kontakt mit Han Sin aufzunehmen und wenn möglich ein Treffen mit ihn zu vereinbaren. Han Sin, dessen Name der eines berühmten Generals aus der Tan-Dynastie war und dessen Gruppe den Namen Sanddrachen führte, gehörte nicht zu Lius vergrößerter Organisation. Allerdings waren seit dem ersten Auftreten der geheimnisvollen Auftraggeber jegliche Querelen mit Mitgliedern dieser Truppe ausgeblieben. Ihr Gebiet war Shanghai und Umgebung, ihren Namen hatte sie vom Quarzsand, der wiederum mit Silizium in Assoziation gebracht wurde. Der Sanddrachen war spezialisiert auf Cyber-Kriminalität, Erpressung und politische Einflußnahme und es gab hier nicht so viele Berührungspunkte mit Lius Leuten, wenn man davon absah, dass alle Casinobenützer von Lius Glücksspielstätten in den Datenbanken von Han Sin gespeichert waren.
„Gehen Sie diplomatisch vor. Sie dürfen es als höfliche Bitte formulieren. Schlagen Sie den hölzernen Drachen vor, wenn Han Sin bereit ist nach Peking zu kommen. Andernfalls muss ich mir überlegen, ob ich einen Besuch in Shanghai riskieren kann.“
Anschließend wählte er die bewusste Nummer. Die freundliche Damenstimme grüßte und setzte fort: „Wir sehen keinen Anlass für diesen Anruf.“ – „Ich habe eine Frage, die nur Sie beantworten können. Ich möchte mich mit Han Sin vom Sanddrachen treffen. Es wäre möglich, dass ich deswegen nach Shanghai reisen sollte. Bin ich da sicher und vor allem bin ich da auf der Reise sicher.“ – „Wir rufen Sie zurück. Es dauert nur einen Augenblick. Auf Wiederhören.“
In fünf Minuten läutete das Telefon. „Guten Tag. Die Reise ist sicher, doch fliegen Sie nicht und fahren Sie nicht mit dem Zug. Mit dem Wagen wird es zwar beschwerlich, aber die Sicherheit kann gewährleistet werden.
Tausendzweihundert Kilometer auf der Autobahn war Wei Liu noch nie gefahren. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dies sicherer als Flug oder Zug wären, aber er hatte gelernt, dass es sinnlos war, die Informationen anzuzweifeln. Jetzt konnte er nur hoffen, dass Han Sin bereit war, nach Peking zu kommen.
Chen kam nach zwei Tagen zurück. Er war mit dem Schnellzug dreieinhalb Stunden gefahren und hatte sich dabei sehr wohl gefühlt. Es hatte einen Tag gedauert, bis er Kontakt zu Han Sin aufnehmen konnte. Als er aber eine unmittelbare Verbindungsperson ausfindig gemacht hatte, hatte es nur mehr eine Stunde gedauert, bis er Han Sin in dessen Residenz gegenüber saß. Zwar waren ihm die Augen im Fahrzeug verbunden worde, doch wurde er mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt.
Han Sin war jünger als Wei Liu, doch erschien er Chen wie ein jüngerer Bruder von Wei Liu. Er mochte um die fünfzig sein. Obwohl seine Sprechweise etwas von dem ursprünglichen Dialekt Shanghais durchschimmern ließ, sprach er ein sehr schönes Mandarin und Chen hatte keine Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Bestimmte Höflichkeitsphrasen verwendete Han Sin fast in der gleichen Verwendung wie Wei Liu. „Was führt Sie zu mir? Wie geht es Wei Liu?“ – Chen war sehr überrascht, dass Han Sin diese persönliche Frage an ihn stellte. Was wusste Han Sin über Wei Liu? Kannte er ihn persönlich?
Chens Antwort kam sehr unsicher zurück: „Oh, danke der Nachfrage. Es geht ihm sehr gut.“ Er fragte sich, ob er ergänzen solle, dass Wei Liu „so menschlich“ geworden sei. „Wei Liu hat eine Frage oder Bitte an Sie. Er würde sich gerne mit Ihnen treffen. Er schlägt einen bestimmten Treffpunkt vor und weiß aber nicht, ob Sie eine Reise nach Peking unternehmen wollten.“
Über Han Sins Gesicht flog ein sehr kurzes Lächeln. „Und wenn ich Shanghai nicht verlassen wollte?“ Chen war es peinlich, doch er brachte heraus: „Wei Liu hat es nicht so gesagt, doch ich habe den Eindruck, dass er sogar bereit wäre nach Shanghai zu kommen.“
Han Sin schwieg. Nach einer langen Pause erwiderte er: „Genießen Sie doch Ihren Longjing-Tee. – Da ich der Jüngere bin, ist es wohl angemessen, dass ich mich auf den Weg mache. Nächsten Monat kann ich eine Reise einrichten. Bitte richten Sie Wei Liu den Dank für die Einladung und meine Bereitschaft, nach Peking zu kommen, aus.“ Der hartgesottene Chen, der in seinem eigenen Bereich als der gefürchteste Mitarbeiter von Wei Liu galt, spürte eine Erleichterung, die er sonst nie verspüren konnte. Dies war einer seiner schwersten Aufträge gewesen, auch wenn hier keine Lebensgefahr drohte. Der mögliche Gesichtsverlust hätte schwerer gezählt. Er wusste nicht, wie Wei Liu eine Ablehnung Han Sins aufgenommen hätte.
„Ich bedanke mich ausdrücklich und darf Sie jetzt so schnell wie möglich verlassen, um Wei Liu die Botschaft zu überbringen.“ – „Einer meiner Männer wird Sie zum Bahnhof bringen.“ Wieder wurden Chen vor der Autofahrt die Augen verbunden, allerdings durfte er nach zehn Minuten wieder frei sehen. Es gab einen Beifahrer, der sich mit einem Computer spielte. Nach fünf Minuten spuckte dieser über einen integrierten Drucker ein Blatt aus, das sich als Zug-Ticket herausstellte. „Wir sind ein bisschen knapp dran, daher haben wir Ihnen gleich das Ticket besorgt. Wir hoffen, dass Sie eine bequeme Fahrt haben werden.“ Aus alten Zeiten bot der Bahnhof die Möglichkeit mit Fahrzeugen bis direkt auf den Bahnsteig zu fahren, allerdings wurden auf diese Weise nur die ersten beiden Waggons erreicht. Chen stellte fest, dass sein Ticket auf die Premium Business Class ausgestellt war. „Sie werden keine anderen Personen im Abteil antreffen. Wir haben die restlichen Sitze blockiert.“ Chen bedankte sich und bestieg den Waggon. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, fuhr der Zug an. Als Chen auf die Uhr sah, bemerkte er, dass der Zug sieben Minuten zu spät war. Das passierte bei diesen Hochgeschwindigkeitszügen nie. Es wurde ihm bewusst, wie weit die Macht von Han Sin zu reichen schien.
Einen Monat trafen sich Wei Liu und Han Sin im Hözernen Drachen. Han Sin erwies Wei die Ehren, die dem Älteren gebührten. Wei Liu war überrascht, in seinem Gast einen sehr kultivierten Managertypen vorzufinden, der über beste Manieren und Kenntnis der chinesischen Tradition verfügte. Das Treffen gestaltete sich von Anfang an als freundschaftlich. Die Themen waren allerdings ohne größere Bedeutung, was sich änderte, als Wei Liu über den eigentlichen Grund seiner Einladung sprach. Da er von Chen gehört hatte, dass Han Sin sich nach seinem Befinden erkundigt hatte, hielt er sich nicht lange mit Vorreden auf.
„Sehen Sie, Han Sin, ich habe vor zwei Jahren den Ablauf in meinen Organisationen verändert und bin damit sehr gut gefahren. Außerdem haben sich meiner Organisation vier weitere angeschlossen, wobei man fast von Unterordnung sprechen könnte. Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, Sie haben sich nicht angeschlossen und ich will Ihnen das gar nicht nahelegen. Aber ich frage mich, wie Sie zur Ausweitung oder auch Veränderung meines Geschäfts stehen, bevor ich Ihnen mein eigentliches Anliegen vortrage?“
Hans Sin lächelte kurz. „Verehrter Wei Liu, wissen Sie, dass Sie in unseren Kreisen als Weiser verehrt werden? Ihre Veränderung war spürbar und hat zu einer gesellschaftlichen Veränderung geführt. Das Wundersame dabei ist nicht die Veränderung selbst sondern das Tempo, in dem sie stattgefunden hat. Man könnte fast von einer Revolution sprechen. Eine unblutige.“ er setzte hinzu „oder fast unblutige.“
Han Sin ergänzte: „Sie wissen, dass meine Agenden anderer Art sind. Wir haben nie Gewalt benötigt, daher war es auch nicht notwendig, einen engeren Kontakt mit Ihrer Organisation anzustreben. Sie können aber versichert sein, dass wir Sie respektieren und Ihnen freundschaftlich gesonnen sind. Im weiteren sind ja auch die Töpfe, aus denen wir unser Einkommen schöpfen, vollkommen unterschiedlich.“
Wei Liu fand diese Antwort zwar sehr höflich, aber sie half ihm nicht, auf das eigentliche Anliegen zu kommen. „Haben Sie sich nie gefragt, wieso es zu dieser Revolution, wie Sie sie nennen, kommen konnte?“
Han Sin erwiderte sehr ernst: „Ihre Änderungen haben Ihnen zusätzlichen Gewinn gebracht. Da gab es nichts zu hinterfragen. Allerdings erstaunt es, wie zielsicher die Korrekturen in Ihrer Organisation stattgefunden haben.“ Er hätte auch sagen können, wie gerechtfertigt die Exekutionen einiger Bandenmitglieder gewesen waren.
„Haben Sie so vertrauenswürdige Informanten, dass Sie an all die wesentliche Informationen heran kommen?“
Wei Liu sagte langsam: „Über jedem Himmel ist noch ein Himmel.“ Dies war ein Zitat aus einer uralten Go-Legende und konnte unterschiedlich ausgelegt werden.
Han Sin schwieg.
Wei Liu schwieg.
Nach einer recht langen Pause meinte Han Sin: „Ich glaube zu verstehen.“
Er ergänzte: „Wir erklimmen Stufen um Stufen, bis wir feststellen, dass wir den gleichen Berg besteigen.“
Wei Liu fragte: „Sie auch?“
Han Sin antwortete: „Sie hat eine sehr angenehme Stimme.“
Wei Liu fuhr fort: „Und Sie verstehen meine Neugier?“
Han Sin erwiderte: „Ich teile sie.“
Daraufhin schwiegen wieder beide.
Wei Liu rief den Kellner. „Bringen Sie Sake!“ Han Sin warf ein: „Bitte nicht für mich, ich trinke keinen Alkohol. Bringen Sie mir bitte Tee.“
Wei Liu wies den Kellner an: „Vergessen Sie den Sake. Bringen Sie uns Longjing-Tee.“ Han Sin schmunzelte anerkennend. Natürlich hatte Chen erwähnt, was er bei Han Sin getrunken hatte.
Wei Liu seufte: „Ich hatte gehofft, dass Sie mir helfen könnten. Sie haben doch jede Information. Sie müssen unseren gemeinsamen Himmel doch kennen.“ – „Nein, ich kenne ihn nicht. Ich habe hier schon sehr viel geforscht. Ich kann Ihnen allerdings eines mitteilen. Wir haben auch Informationen vom russischen und vom amerikanischen Geheimdienst. Auch die UNA hat ihre Verfahren geändert. Insgesamt haben sie sich nicht sehr verändert, doch die Konsequenzen ihrer Auswertungen sind andere. Und es gibt eine sehr interessante Merkwürdigkeit. Weder Sie noch ich sind in den Aufzeichnungen der UNA aufgeführt. Wir scheinen für die Amerikaner nicht zu existieren. Und das, obwohl sie Aufzeichnungen über alle Politiker beliebiger Staaten haben. Ich verstehe, dass ich nicht aufscheine. Aber Sie sind ja inzwischen die Geheimregierung Chinas geworden – und ich sage das ohne Kritik. China wurde noch nie so gut geführt, wie zur Zeit. Entweder haben Sie eine ähnlich gute Informatik wie ich – was ich nach ihrer Fragestellung bezweifeln darf, oder sie bekommen Ihre Informationen von einer Stelle, die ausgezeichnet unterrichtet ist.“
Wei Liu nickte bedächtig. „Und die Frage ist, wer hat die Information und so edle Motive?“
Han Sin stimmte zu: „Das ist die Frage!“
Jeder nippte an seinem Tee. Dann eröffnete Han Sin eine Sensation. „Man hat mich unterrichtet, dass viele Organisationen sich Ihnen anschließen werden. Gleichzeitig wurde mir aber mitgeteilt, dass ich das nicht tun müsste oder sollte. Unsere beiden Organisationen wären getrennt noch effizienter als gemeinsam. Daher habe ich davon Abstand genommen, den Gedanken weiter zu verfolgen.“
Wei Liu verstand. Natürlich war die derzeitige Anordnung die bessere. Und innerlich lächelte er. Jetzt wusste er, wer sein Nachfolger werden würde.
Seinen Auftraggeber kannte er noch immer nicht.