Es gab eine Frau und einen Mann, die hatte die Zufälligkeit in eine Nähe gebracht, in der sie einander wahrnahmen. Sie verliebten sich ineinander und entdeckten täglich neue Seiten am anderen. Wie es so üblich ist, glaubten sie einander zu lieben. Da ereignete sich etwas Merkwürdiges. Sie verloren ihre Person. Der Mann zersetzte sich in verschiedene Bestandteile wie Neugier, Gier, Eifersucht und Liebe. Um diese Teile zusammen zu halten, gab es Gedanken, die sich um Musik, um Literatur, um Essen, um Trinken und um andere Dinge des alltäglichen Lebens drehten. Sie klebten die Hauptbrocken zusammen, Die Frau zerfiel in Arbeit, Mutter, Körper und Unbestimmtheit, wobei auch bei ihr bestimmte Gedanken zum Zusammenhalt der einzelnen Teile halfen.
Als sie beide noch ganz waren, waren ihre Personen reizvolle, aromatische Anziehungspunkte gewesen. Doch jetzt fanden Gespräche zwischen ihnen beiden nur mehr einzelne Teile vor. Es war so, als würde man auf ein Pfefferkorn beißen oder einen Mehlklumpen in der Einbrennsuppe finden. Da versuchten sie beide, die schlecht schmeckenden Teile abzuwerfen, Sie taten das so, indem sie sich wendeten, wenn immer der andere einen Versuch unternahm, eine Verbindung aufzunehmen. Sie wussten schon, wo die Salzklumpen, die Mehlklumpen, die Pfefferkörner und der sitzengebliebene Teil waren.
Wenn immer sie zusammenwaren, bestand ihr Leben aus Windungen und dem Versuch, noch eine Stelle zu finden, die ohne Rückhalt genossen werden konnte, beim anderen und bei sich selbst, wo man glaubte, noch intakt zu sein.
Die Teile, die sie früher am anderen geschätzt hatten, waren kleiner geworden. Sie waren verbraucht. Sie gingen zu einem Mann, dem man nachsagte, in diesen Dingen Bescheid zu wissen.
Er ließ sie eine Weile reden, dann sah er einige Zeit prüfend die Frau und danach den Mann an. „Ich weiß nicht, ob ich euch helfen kann. Ich kann euch nicht einmal sagen, ob ihr euch selbst helfen könnt.“ Entmutigt blickten ihn die beiden an. „Ihr habt euch sterben lassen.“ Diesen Satz konnten sie nicht verstehen und ihre Gesichter drückten große Ratlosigkeit aus. „Es kann nicht sein, dass ihr immer weniger aneinander findet, was euch am anderen gefällt. Das was gefällt, sollte eigentlich wachsen. Das wird es auch tun, wenn etwas in euch lebt. Aber da kann ich nichts erkennen.“
Er wendete sich zu dem Mann: „Ich kann die Unruhe in dir erkennen, sie steht still. Die Lebenszeiger bewegen sich nicht mehr. Wo hast du die Liebe zu deiner Arbeit liegengelassen? Wann hast du die Begeisterung verloren?“ Er berührte den Mann kurz an der Stirn. „Das wird nur wenige Tage anhalten. Wenn Du nichts dafür tust, wird deine Unruhe wieder anhalten.“
Zur Frau sagte er: „Ohne Freiheit bist du lebendiger. Aber das ist nicht dein Problem. Deine Inhalte sind gestorben.“ Als er merkte, dass ihn die Frau nicht verstand, hieß er den Mann, kurz das Zimmer zu verlassen.
Als die Frau und der Mann gemeinsam weggingen, waren sie sehr bedrückt. Nach einigen Minuten des Schweigens fragte sie: „Werden wir uns wieder begegnen?“ Er hob die Schulter zu einer Geste der Unbestimmtheit. Danach reichten sie einander die Hand und trennten sich.

Diese Geschichte schrieb ich am 11.10.2005 in einem Blog (20six), das ich schon lange nicht mehr betreibe. weil das Blog be-spammed wird, bin ich ganz zufällig darauf gestoßen. Gefällt mir jedenfalls noch, wenn ich die verschiedenen Beziehungsschwierigkeiten mitbekomme.


  1. „Da ereignete sich etwas Merkwürdiges. Sie verloren ihre Person. Der Mann zersetzte sich in verschiedene Bestandteile wie Neugier, Gier, Eifersucht und Liebe.“ – Solche Sätze haben einen starken Bezug zur Wirklichkeit, zur Wirklichkeit von Beziehungen, die sich ja nur allzu oft und allzu leicht abnutzen. Mir gefällt die Geschichte. Schön, hast du sie wieder gefunden.

  1. 1 Eine verlorene Geschichte « Das 37. Jahr

    […] Spammen eines ehemaligen Blogs ist eine Geschichte wieder aufgetaucht. Gefällt mir:LikeSei der Erste, dem dieser post […]




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